U-tsu-wa ist ein mehrdeutiger Begriff, der im japanischen Alltag sehr gebräuchlich ist. Er steht für Gefäß, Hohlraum, Leere und Universum. Im übertragenen Sinn auch für Persönlichkeit. Der japanische Begriff charakterisiert in vielfacher Weise das Œuvre von Ernst Gamperl, der in jahrzehntelanger Arbeit Methoden entwickelt hat, auf der Drechselbank auch große Baumstämme in millimeterdünne Hüllen zu verwandeln. Damit hat er die historische Technik des Drechselns revolutioniert und neue Maßstäbe in diesem Handwerk gesetzt.
Ernst Gamperl, inzwischen ein international renommierter Künstler, hat ursprünglich Schreiner gelernt und dabei das Drechseln entdeckt. Seine extrem dünnwandigen Schalen und formstarken Gefäße haben schon früh Aufsehen erregt. Durch die ebenso einfühlsame wie handwerklich konsequente Auseinandersetzung mit dem Material Holz – bevorzugt Eiche – hat er entdeckt, dass Objekte aus frischem Holz nach dem radikalen Aushöhlen auf der Drechselbank einen schwer kalkulierbaren, völlig eigenständigen (Ver-)Formungsprozess generieren, der sie zu wesenhaften Gestalten werden lässt. Fehler im Ausgangsmaterial werden bewusst einbezogen.
Das Bayerische Nationalmuseum präsentiert bis 5. Oktober 2025 erstmals in Deutschland eine Ausstellung zu Ernst Gamperls „Lebensbaumprojekt“: Eine mächtige 230 Jahre alte, von einem Sturm entwurzelte Eiche wurde 2008 kreative Inspiration und Ausgangsbasis für einen zehn Jahre währenden Arbeitsprozess. Gamperl verwandelte den Giganten mit einem Durchmesser von 2,7 Metern und einem Gewicht von 33 Tonnen in ein einzigartiges Ensemble aus 97 unterschiedlich geformten Gefäßen von skulpturaler Anmutung.